Nigeria landschaft und strasse

Übersetzerwerkstatt

Gottes Scharlatane

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Wie oft haben wir beim Übersetzen in die Ebira-Sprache nach Wörtern gesucht! Zum Beispiel redet Jesus in Matthäus 12,39 vom „Zeichen des Propheten Jona“. Propheten kommen in der Kultur der Ebira nicht vor, daher gab es in ihrer Sprache auch kein Wort dafür. Allerdings kennen die Ebira Wahrsager, aber jeder weiß, dass deren Vorhersagen selten eintreffen.

Einige Pastoren behalfen sich damit, indem sie für ‚Prophet‘ den Ausdruck ‚Gottes Wahrsager‘ benutzten. Sie hofften, auf diese Weise eine Verwechslung mit den traditionellen Wahrsagern zu vermeiden. Wir fragten also einige Leute aus unserem Ort, was ‚Gottes Wahrsager‘ denn wohl für Leute seien. Die Antwort war: „Es scheint, dass auch Gott solche Scharlatane hat wie wir.“ Was gut gemeint war, erwies sich also als völlig unbrauchbar. Wieder einmal waren wir darauf angewiesen, dass unser allwissender Herr uns eine Lösung für unser Problem zeigte.

Beim kontinuierlichen Erforschen der Ebira-Sprache fi el mir eines Tages die Vorsilbe on- auf. Diese Silbe kann man man- chen Wörtern voranstellen, die eine Tätigkeit ausdrücken. Diese Kombination bezeichnet dann eine Person, die diese Tä- tigkeit ausführt. So etwas Ähnliches haben wir im Deutschen mit der Nachsilbe -er: Einer, der hilft, ist ein Helfer, und einer der lehrt, ist ein Lehrer usw.

Gott schenkte mir die Idee, die Vorsilbe on- mit dem Wort für ‚Vorhersage‘ zu verbinden. Diese Kombination hatte ich zwar noch nie gehört, aber einen Versuch war es wert. Ich stellte das neue Wort den Gemeindeleitern vor und fragte sie: „Wenn ihr dieses neue Wort hört, was kommt dann bei euch rüber?“ Jeder der Männer prüfte kritisch, welche Inhalte dieses neue Wort für sie transportierte. Auf einmal riefen alle: „Halleluja!“ Sie waren sich einig: Jetzt haben wir endlich ein eigenes Wort für ‚Prophet‘! Wir mussten aber auch noch testen, was dieses neue Wort für Nichtchristen bedeutete. Und die Antwort war: „Dieses Wort sagt mir, dass jemand Vorhersagen macht, die dann genauso eintreffen.“ Unser Problem war gelöst und wir staunten wieder einmal, wie unser Herr mit uns und durch uns an der Arbeit ist.

Ehepaar scholz

Autor

Hans-Jürgen Scholz und seine Frau Christel haben zehn Jahre im Ebira-Projekt in Nigeria gearbeitet. Später war Hans-Jürgen in leitender Funktion in mehreren Ländern auf drei Kontinenten tätig. Heute sind beide im Ruhestand.