Koffer Mit Rucksack

Mit Mehr und Weniger in die Veränderung

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Vor zwei Jahren haben wir unsere Sachen gepackt, sortierten sie, entschieden, was in den Transporter und mit uns auf die Fähre nach Deutschland kommen sollte. Dann traten wir den Rückweg in unsere alte Heimat an. Für die Kinder bedeutete der Umzug: sich an eine neue Schule gewöhnen, neue Freunde finden, eine neue Umgebung kennenlernen und vieles mehr. Für uns Eltern war es nicht viel anders, auch wenn wir die Umgebung, Freunde und Gemeinde bereits kannten – allerdings mit fast 15 Jahren Abstand.

Abbruch

Zuvor kam jedoch der Abschied oder auch das Abbrechen von so mancher Beziehung, vom gewohnten Arbeitsumfeld, der Alltagsroutine sowie von der vertrauten Umgebung. „Abbruch“ mag ein hartes Wort dafür sein, aber so haben meine Frau und ich es empfunden: Es war weg! 

Veränderung – was heißt das?

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“, soll Heraklit 500 Jahre vor Christus gesagt haben. Dinge ändern sich, das ist normal. Allerdings haben Veränderungen klare Auswirkungen auf uns: Sie fordern uns psychisch und emotional heraus. Häufig gibt es zusätzlich einige praktische Dinge zu bewältigen – wie bei unserem Umzug. Stress ist oft die Folge.  Trost und eine Ermutigung waren für uns, dass Gott sagt: „Ich bin derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebräerbrief 13,8). Bei Jesus bleibt alles gleich, während unsere Umgebung sich ändert. Wir machen neue Erfahrungen und verändern uns selbst. Es mag dann so aussehen, als hätte sich auch Jesus geändert, aber – so wie ich das sehe – ändert sich vor allem unsere Perspektive auf ihn.

Wie und wohin soll’s gehen?

In unserer Welt ist Veränderung oft ein Mehr. Wachstum soll stattfinden, es soll größer, schneller, besser werden. Rekorde müssen aufgestellt werden. All das ist für viele normal. Aber Jesus lädt mich zu einem Weniger ein: weniger Stress, weniger Termine, weniger Ichbezogenheit … Ich darf zu ihm umkehren, immer wieder. Besonders herausfordernd ist in diesem Zusammenhang Matthäus 18, 1–5, wo die Jünger diskutieren, wer denn der größte unter ihnen ist. „Werdet wie die Kinder“, antwortet Jesus darauf. „Vertraut auf mich wie diese Kleinen! Macht euch klein, nicht groß! Erniedrigt euch, seid bescheiden, demütig, zurückhaltend“ – nicht größer, schneller, besser …

Fragen, die helfen

Als unsere Veränderung anstand, die wir zwei Jahre lang vorbereitet hatten, engagierte ich einen Coach, um diese Phase gut zu gestalten. Drei Fragen von ihm begleiteten mich:
Wenn ich umziehe und in die alte Heimat zurückgehe

Was soll bleiben?
Was soll Neues kommen?
Was soll weg?

Die erste Frage ließ sich schnell beantworten: Ich möchte meine Aufgaben bei Wycliff und der Partnerorganisation so weiterführen wie bisher. Ich möchte daran nichts ändern und denke auch, dass Gott meine Berufung hier nicht geändert hat.

Bei dem Neuen war es schon schwieriger. In Afrika hatte ich mein persönliches Sportprogramm entwickelt und merkte in Deutschland schnell, dass ich eine Alternative brauchte. Jetzt bin ich zweimal die Woche im Fitnessstudio und sehr zufrieden damit. Zudem wurde im Gespräch mit meiner Frau schnell klar, dass ich ein neues Hobby brauchte. Es sollte nichts mit der Arbeit oder Computern zu tun haben und möglichst draußen stattfinden. Seit ein paar Monaten bin ich jetzt Stadtführer: Ich bin ständig mit neuen Menschen zusammen, nutze afrikanische Spontaneität und häufig auch meine Fremdsprachen. Weitaus schwieriger, aber auch spannender war die Frage: „Was muss weg?“ Nach längerer Überlegung wurde klar, dass ich Routine brauche und die Unorganisiertheit – die in Afrika nicht so entscheidend war – weg muss. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, wie ich mich anders strukturieren kann. Zudem habe ich zwei Wünsche bewusst aufgegeben: Programmieren lernen und die afrikanische Sprache unserer ehemaligen Wohngegend richtig lernen. Auch dieses Loslassen war heilsam für mich.

Die drei Fragen habe ich immer wieder durchdacht, ins Gebet gebracht und auf Antwort gehört. In dieser Zeit der Veränderung habe ich klar gemerkt: Gott trägt! Er ist wirklich immer derselbe, egal wo ich bin. Ich habe mich bewusst entschieden, ganz kindlich darauf zu vertrauen, dass Jesus in der Veränderung die richtigen Dinge tun und zeigen wird.  Was ich einbringe, ist die Bereitschaft, mich auf die Veränderung mit allen Konsequenzen einzulassen und vor allem beim Weglassen nicht Nein zu sagen, sondern ein klares Ja!

A. Kirchner ...

arbeitet in einer Region mit eingeschränkter Religionsfreiheit als Projekt-Manager und Teamleiter