Interview Gelb
Sessel

mit Jutta Siebel – über das Gebet

Wunderbar und unerhört

Warum sich Gebet auf jeden Fall lohnt

Gebet ist Privatsache. Für die meisten Menschen schon. Aber bei Wycliff Deutschland ist es Teil der Arbeitszeit. Es gibt sogar eine Stelle dafür: Die Gebetsbeauftrage Jutta Siebel sammelt Gebetsanliegen der Wycliff-Mitarbeiter und kommuniziert sie. Wycliff-Pressereferentin Ramona Eibach hat mit ihr über berufliches und privates Gebetsleben gesprochen.

Jutta S.

Was macht eine Gebetsbeauftragte? Wie muss ich mir deinen Tagesablauf vorstellen?

Ich lese morgens meine E-Mails und bündele die Gebetsanliegen, die in meinem Postfach angekommen sind und die, die ich in den Infomails unserer Mitarbeiter finde. Dafür beten wir dann gemeinsam in der täglichen Andacht der Wycliff-Verwaltung. Einmal im Monat nehmen wir uns einen ganzen Vormittag zum Gebet Zeit. Für Menschen, die uns im Gebet unterstützen möchten, erstelle ich einen Gebetsbrief mit unseren Anliegen, der monatlich erscheint.

Immer wieder bete ich selbst auch zwischendurch für Situationen, von denen ich lese. Und wenn mir Gedanken oder ein Bibelvers in den Sinn kommen, ermutige ich Mitarbeiter auch sehr gerne persönlich.

Gebet spielt also eine wichtige Rolle bei Wycliff. Warum ist das so?

Wir sind in unserer Arbeit sehr fachlich und wissenschaftlich orientiert. Aber Wycliff hat auch eine geistliche Dimension, die uns motiviert, Veränderungen in Gemeinschaften herbeizuführen: Wir sind überzeugt davon, dass die Bibel ein Buch ist, durch das Gott Menschen persönlich anspricht. Er möchte mit ihnen in Beziehung treten. Und sein Wort hat die Kraft, ihr Leben positiv zu beeinflussen. Und diese Veränderung geben sie an andere Menschen weiter. So kann langfristig eine ganze Gesellschaft geprägt werden.

Wenn ich bete, gehe ich eine Verbindung mit Gott ein. Das funktioniert überall auf der Welt. Wenn wir für andere Menschen und Situationen beten, wird Gott zur Schnittstelle: Wir sind dann durch ihn mit den Mitarbeitern vor Ort verbunden. 

Aber auch die menschliche Dimension ist für uns wichtig: Es ermutigt unsere Mitarbeiter, wenn sie wissen, dass wir für sie beten und sie so unterstützen. Außerdem tragen wir dazu bei, dass sie erfahren können, wie Gott in ihr Leben eingreift.

Du sagst, Gebet ist dir persönlich wichtig. Warum betest du? Und was ist dir dabei wichtig?

Gebet habe ich quasi in die Wiege gelegt bekommen, meine Eltern waren Beter. Ich wäre mit sechs Jahren fast bei einem Autounfall gestorben. Damals haben viele Menschen für mich gebetet. Von daher hat Gebet bereits meine Kindheit mitgeprägt.

Für mich ist Gebet ein Ausdruck meiner Verbindung zu Gott und meiner Abhängigkeit von ihm. Beziehung mit Gott ohne Gebet geht nicht. Gebet ist aber nicht nur Reden zu Gott, sondern auch Hören. Im Laufe meines Lebens wurde mir zunehmend bewusst, dass ich Gott nicht nur meine „Anliegenliste“ bringen sollte. Es ist ebenso wichtig zu verstehen, was er will. Oft schaue ich nur auf das, was ich oder andere brauchen, und frage nicht, ob Gott das auch so sieht. Deshalb ist meine Frage an Gott immer häufiger: „Was willst du? Wie soll ich in dieser Situation beten?“

Leider wird Gebet nicht immer erhört. Wie gehst du damit um und welchen Einfluss hat das auf deinen Glauben?

Darauf gibt es keine einfache und schnelle Antwort. Manche meiner Gebete sind bisher unerhört geblieben oder anders beantwortet worden, als ich es erbeten hatte. 

Zu Beginn meiner Zeit bei Wycliff war ich vier Jahre als Übersetzerin für Französisch in Kenia tätig. Als ich aus gesundheitlichen Gründen meine Arbeit dort abbrechen musste, kam ich in eine echte Glaubenskrise. Ich hatte Kenia als meinen Berufungsort positiv erlebt und musste ohne Perspektive nach Deutschland zurück. Damals habe ich zu engen Freunden gesagt: „Ihr müsst jetzt beten, ich kann es nicht.“ Dieses Eingeständnis war wichtig für meine Beziehung mit Gott. Letztlich hat Gott mich dann über Deutschland nach Frankreich geführt. Dort habe ich das Übersetzungsbüro von Wycliffe Frankreich geleitet. Nach den ersten Jahren wurde mir bewusst wie wichtig meine Erfahrungen aus Afrika für meine Arbeit in Frankreich waren. Erlebnisse wie dieses helfen mir, mit neuen Fragezeichen oder Stille von Gottes Seite her, umzugehen. Und ich zu lerne, ihm auch dann zu vertrauen.

In den letzten Jahren in Frankreich stellte mich mein Gesundheitszustand immer mehr vor die Frage: „Soll ich in Frankreich bleiben oder nach Deutschland zurück gehen?“ Wycliff Deutschland bot mir die Mitarbeit im Bereich Gebet an. War das Gottes Weg für mich? Ich zog mich die Stille zurück, um Klarheit zu bekommen. In diesen Tagen habe ich viel gebetet, viel abgewogen, doch eine klare Weisung blieb aus. Dann hörte ich unverhofft bei einem Spaziergang die Worte: „Vertrau meiner Weisheit.“

Dieses Erlebnis hat mich sehr ermutigt. Es hat mir gezeigt: Ja, ich muss ganz menschlich verschiedene Aspekte abwägen, darf aber dann im Vertrauen darauf, dass Gott weitersieht und mich führt, die Schritte gehen, die plausibel erscheinen. Auch wenn vieles erst mal ungewiss und evtl. auch schwierig ist.

Warum lohnt sich deiner Meinung nach Gebet auch dann, wenn es vielleicht nicht in Erfüllung geht?

Gebet hilft mir, meinen Blick zu richten, mich selbst zu sortieren.

So muss ich in schwierigen Situationen nicht in der Not versumpfen. Wenn ich bete, richtet sich mein Blick von dieser Not weg auf Gott, der größer ist. So schöpfe ich Hoffnung und letztlich auch neue Kraft.

Liebe Jutta, vielen Dank für deine Zeit und den ehrlichen Einblick in dein Gebetsleben.